Culture Club

Panische Zeiten
Eine Rezension zu »Panikherz« von
Benjamin von Stuckrad-Barre

Mario Faber

panikherzBeginnen wir mal mit einer der klassischen Kritikerphrasen, wie man sie schon allzu oft in diversen Rezensionen, in diversen Magazinen, über diverse Künstler mehrfach um die Ohren gehauen bekam: »Endlich hat Benjamin von Stuckrad-Barre wieder zu seiner Höchst-
form zurückgefunden, die man von seinen ersten Werken von ihm gewohnt war, und kann damit an seine fühen Erfolge nahtlos anknüpfen.« Leider war diese sehr beliebte Floskel selten passender, so dass man sie für »Panikherz« einfach wieder aus dem verstaubten Regal rauskramen muss. Doch was kam eigentlich nochmal nach dem Erfolg? Nach dem Erfolg folgte, schon fast klischeehaft, der Absturz, der sich in knapp in drei Worten beschreiben lässt: Koksen, kotzen, Kontrollverlust.  In »Panikherz« erzählt Stuckrad-Barre über genau diese Phase in seinem Leben. Das ewige Auf und Ab, den ständigen Rausch, Begegnungen und über seine langjährige Freundschaft zu Udo Lindenberg, der ihm dabei half, genau aus dieser Phase wieder hinauszukommen. Aber im Nach hinein ist »Panikherz« mehr als das. Es ist eine Reise queerbeet durch das Leben von Benjamin von Stuckrad-Barre. Eine Art langjähriges Tagebuch. Eine Reise von den Anfängen als Lokaljournalist in Göttingen, dem neuen Leben in Hamburg, Begegnungen mit Helden wie Rio Reiser, Bret Easton Ellis und natürlich Udo, bis hin zum totalen Absturz. Stuckrad-Barre lässt uns an dieser Reise
teilhaben und es macht Spaß, ihn dabei zu begleiten.

Bild: Kiepenheuer & Witsch

Benjamin von Stuckrad-Barre: Panikherz
Kiepenheuer & Witsch
ISBN 978-3-462-04885-8
Hardcover: 22,99 Euro

E-Book: 19,99 Euro

»Fucking Good«
Ein ganz normaler Sexratgeber?

Miriam Bömer
Bundesvorstand

fucking-goodAn allen möglichen Stellen gibt es heute Ratgeber zum Thema Sex. Wie befriedige ich (meistens) ihn richtig, welche Stellung ist die beste, welche Schamhaarfrisur ist gerade in Mode und wie geht eigentlich der perfekte Blowjob? Sogenannte Frauenzeitschriften, aber auch schon die Bravo und eine Flut von Ratgeberbüchern gibt es dazu bereits.  Das Buch von Nina Wagner, einer Bloggerin und Autorin aus Berlin, hat einen etwas anderen Ansatz. Sie berichtet dort von ihren sehr persönlichen Erfahrungen und ihrem eigenen Weg zur sexuellen Selbstbestimmung. Angefangen von Selbstbefriedigung, Verhütung, Onlinedates bis hin zu persönlichen Tabus schreibt sie über ihre ganz persönliche Auseinandersetzung mit diesen Themen und gibt eine Menge hilfreiche Tips. Besonders unterhaltsam macht das Buch jedoch die einzelnen Erfahrungsberichte zu verschiedenen Treffen, gerade auch über Tinder, was ja momen-
tan das Datingverhalten so mancher Menschen stark bestimmt. Insgesamt ist es ein sehr kurz-
weiliges und unterhaltsames Buch, mit dem man nicht nur eine Menge lernen kann, sondern sich auch einfach freut, dass jemand so offene Einblicke in ihre Gedankenwelt zu dem Thema gibt.

Bild: Jule Müller

Nina Wagner: Fucking good
Von Tinder,
Online-Dates und wilden Nächten
ISBN
978-3-426-78755-7
Taschenbuch oder EBook:
9,99 Euro

Mängelexemplar
Das Buch von Sarah Kuttner in einer
Verfilmung von Laura Lackmann

Nina Dehmlow
Bezirk Hannover

ma%cc%88ngelexemplar»Eine Depression ist ein Fucking Event«, so fängt das Buch Mängelexemplar von Sarah Kuttner an. Ich wartete darauf, dass
auch der Film so anfangen würde, in diesem Punkt wurde ich leider enttäuscht. Dies war aber auch der einzige Moment. Der Film bleibt
in den erzählerischen Eckdaten der Literaturvorlage treu: Im Mittel-
punkt des Filmes steht Karo, großartig gespielt von Claudia Eisinger, sie ist Ende zwanzig und macht irgendwas mit Medien, verliert nicht nur ihren Job sondern auch ihre langjährige Beziehung. Den Job verliert sie, weil sie ihre Stim-
mungen
nicht mehr unter Kontrolle hat, den Freund, weil sie ihn eigentlich nicht mehr haben will, aber doch an ihm festhält. Und ihre beste Freundin will auch nichts mehr von ihr wissen, weil Karo permanent nur von ihrer eigenen Misere erzählt.

Sie fällt in ein tiefes Loch, depressive Schübe wechseln sich ab mit Angst- und Panikattacken.
All dies und gerade auch die Hochs und
Tiefs in der Gefühlswelt, die depressiven Phasen und vor allen Dingen der innere Monolog von Karo wird von Laura Lackmann sehr gut durch passende Bilder und Symbole, wie zum Beispiel dem inneren Kind in Szene gesetzt. Der Film befasst sich mit einem ernsten Thema geht dieses jedoch verspielt, originell und auf humorvolle Weise an. Trotz der ernsthaften Thematik ist es ein unterhaltsamer Film. Nicht zuletzt auch wegen gut herausgearbeiteten Nebenrollen, die zudem mit Schauspielgrößen wie Katja Riemann oder Maren Kroymann besetzt sind. Alles in allem ein sehenswerter Film, gerade auch wegen der gelungenen subtilen Spitzen gegen die Gentrifizierung, also die Verdrängung ärmerer und der Zuzug reicherer Bevölkerungsgruppen in einem Stadtteil und damit einhergehend steigende Miet- und Kaufpreise, und die Ausbreitung der Hipsterkultur in Berlin.

Bild: Kiepenheuer & Witsch

Laura Lackmann: Mängelexemplar
Deutschland 2015
111 Minuten