Was war

Revolution und Kopfarbeit
Frauen-Theorie-Seminar in Werftpfuhl

Jana Liesegang
KV Oberhausen

Mit eher Letzterem beschäftigten sich an die vierzig Frauen am ersten Juni Wochenende im
Kurt-Löwenstein-Haus bei Berlin im Rahmen eines Theorieseminar. Unter den Denkeri*nnen waren sowohl Falken als auch andere Interessierte jeglichen Alters. Ermöglicht wurde dieses Wochenende durch die Genoss*innen aus Thüringen.

An diesem Wochenende gab es zwei Workshopphasen. Es gab auch die Möglichkeit, selbst einen Workshop anzubieten. Jeder Workshop hatte bei mir Interesse geweckt und ich glaube, daspreche ich auch für alle anderen. Entschieden habe ich mich dann für »Klassismus statt Klassenkampf? Über das Verschwinden der sozialen Frage aus der Linken« und »Rosa Luxemburg und die sozia-
listische Frauenbewegung«. Im Workshop »Klassismus statt Klassenkampf« haben wir uns mit Thesen beschäftigt und diese ausdiskutiert. Klassismus bedeutet so viel wie Klassendiskrimi-
nierung, aber auch ökonomische Benachteiligung und Ausbeutung. Klassismus war damals
schon ein bedeutender Begriff, da es im 20. Jahrhundert sehr einfach war, jemanden in eine Schicht einzuteilen. Heutzutage kann es der Lebenstil sein, der Ort, in dem Du wohnst, eigentlich alles, was man an Dir verurteilen kann. Dies kann aufgrund einer Behinderung passieren oder einen rassistischen oder sexistischen Hintergrund haben. Das Wort »Klassismus« wird dann aber nur benutzt, wenn jemand oder man selbst einer unteren Schicht zugeteilt wird.

Die eigenen Vorurteile
überprüfen

Wir haben uns auch mit Zitaten auseinandergesetzt wie zum Beispiel »Wer nur als Putzkraft arbeitet, hätte sich in der Schule mal mehr anstrengen müssen«. Der erste Gedanke, der mir – und ich denke wohl auch anderen – in den Kopf kam, war die Vorstellung einer Putzkraft als Frau mittleren Alters mit Migrationshintergrund, die ein brüchiges Deutsch spricht. Daraufhin bin ich im Kopf nochmal zurückgegangen und mir fiel auf, dass mein Gedanke rassistisch und zugleich sexistisch war. In der Gruppe hatte die Mehrheit genau den gleichen Gedanken und wir sprachen über Vorurteile, die wohl viele haben. Sei es, weil man so erzogen wurde oder weil eine* durch die Gesellschaft geprägt wird. Doch das Ergebnis ist bei jeder* gleich gewesen. Es geht darum, noch-
mal über das, was man im Kopf hat, nachzudenken, sich selbst zu reflektieren. Das Zitat zeigt auch noch gut, welchen Wert ein einzelner Beruf haben kann. Wir konnten nicht alle Thesen ausarbeiten , was aber nicht so schlimm war, da die Diskussion dafür sehr intensiv klhwar und man im nachhinein am Mittagstisch noch darüber geredet hat. Für den Workshop »Rosa Luxem-
burg und die sozialistische Frauen-bewegung« konnte ich mich stark begeistern, auch wenn die anderen Workshops genauso interessant klan-
gen. Wir haben Ausschnitte aus den Werken von Rosa Luxemburg unter der Fragestellung gelesen, ob sie eine Feministin war: zum einen »Frauenwahlrecht und Klassenkampf« und zum anderen »Die Proletarierin«. Außerdem haben wir Teile des Briefwechsel zwischen Rosa Luxemburg und Clara Zetkin gelesen. Die Ausschnitte waren wirklich interessant, besonders weil man auch eine andere Sicht auf Rosa erhält.

Gleichzeitig lässt sich aus den Ausschnitten Klassismus rauslesen, aus der Sicht von Rosa, aber auch der Sozialdemokrat*innen. Dadurch konnte man wiederum eine Antwort auf die Frage bekommen, ob Rosa Luxemburg eine Feministin war oder nicht. Denn in den Ausschnitten bezieht sie zwar die Seite der Frauen, aber sie spricht halt eher von der Proletarierin als von der bürgerlichen Frau. Betitelt diese sogar als »Parasit«. Man könnte Rosa Luxemburg also eher als praktische Feministin sehen. Ich möchte jetzt nicht zu viel vorwegnehmen, denn ich denke, sich selbst damit zu beschäftigen macht auch noch einen großen Unterschied aus.

Eine besondere Atmosphäre

Das absolute Highlight des Wochenendes war eigentlich die Atmosphäre. Man merkt auf jeden Fall den Unterschied, wenn man nur unter Frauen* ist. Die Diskussionen und Unterhaltungen finden auf einer ganz anderen Ebene statt. Es war eine total entspannte Kommunikationsweise. Und auch wenn man sich mal nicht an einer Diskussion beteiligen konnte, wurde darauf geachtet, dass man sofort wieder miteinbezogen wird. Redeanteile wurden beachtet. Und wenn Dir etwas nicht gefallen hat oder Du es anders gesehen hast, konntest Du es offen sagen. Jede* hat auf jede* geachtet. Und manchmal gab es mitten in einer Diskussion einfach für fünf Minuten eine Denk-
pause, keine* hat was gesagt und es war kein Problem. Man wurde nicht unterbrochen und es gab auch keinen »Erklärbär«. Man beharrte auch nicht auf seiner Meinung, sondern war offen für die der Anderen. Auch hat man gemerkt, dass man in vielen Dingen nicht alleine dasteht. Obwohl das Wochenende nur drei Tage ging war da einfach dieses Sicherheitsgefühl unter den
zuvor fremden Frauen*.

Und wie geht es jetzt weiter?

Das Wochenende war erfolgreich, doch wie geht es weiter? Weitere Veranstaltungen sind geplant und auch ein weiteres Wochenende steht vielleicht im nächsten Jahr an. Vom 23. bis 25. Septem-
ber findet in Hamburg, von der MFPK und dem LV Hamburg ausgerichtet, ein Event für Mäd-
chen* und Frauen* statt. Das Event heißt »FEMPOWERMENT!«; hier werden viele Themen-
gebiete vertreten sein, auch viele im praktischen Bereich. Des Weiteren wird auch überlegt,
in einzelnen Kreisverbänden Workshops anzubieten.

– Bild: Seminarteilnehmerinnen im KLH